La creació

Miquel Martí i Pol
Miquel Martí i Pol
DIE SCHÖPFUNG

        I
Am ersten Tag betäubte uns der schreckliche
Lärm der Maschinen. Wir kämpften
um zu verstehen, was man uns sagte, und um Mittag,
als wir dann auf die Straße gingen, fanden wir
die verlorene Ruhe wieder.
Es war im Sommer, und erst vor kurzem
waren wir vierzehn geworden. Als Arbeiter
waren wir noch neu, ohne Galle und Mißtrauen.

II
Am zweiten Tage lernten wir den feierlichen
Rhythmus des Tagwerks. Langsam schmolz
unser Heimweh und schon bedienten wir uns
der Hände um zu verstehen. Draußen fiel
wie im Traum langsam der Regen.
Das hat man uns gesagt, als wir die Arbeit verließen, und da lachten wir.

        III
Am dritten Tage begriffen wir viele
nur halb verstandene Worte. Den tiefen Grund,
warum all jene leben, die einsam
und besiegt sind und die lastende
und quälende Verwirrung der Befehle.
Es war im Winter, und das matte Grau der Scheiben
sinterte Trauer.

IV
Am vierten Tage liebten wir ein Mädchen
hinter einem Lagerschuppen, bei fernem
und gedämpftem Lärme der Maschinen
als Hintergrundsmusik.
Es wehte heißer Wind. Sanft wie ein Schatten
schmiegte sie sich an. Am Abend
schien es als hätten wir die Hände voll
mit Nesseln oder Sand.

        V
Am fünften Tage war es schon als seien wir
unter Maschinen geboren. Die Hände waren
so hart wie irgend Hände und wir schrien
lauter um ohne Scheu zu fluchen.
Auf der Straße war Sonne und das winzige
bißchen Himmel, das man am Fenster sah,
war ohne Sinn und fern wie eine Spiegelung der Luft.

        VI
Am sechsten Tag war Zahltag. Wir sind
Leute mit gesundem Urteil und glauben nicht,
daß unsere Welt durch Wunder zu retten sei.
Nun sind wir groß und sicher. Wir machen alle Dinge
mit derart finsterer Miene, daß es nicht scheint
als kämpften wir hartnäckig darum, daß diese Welt verständlich
und klarer läuft. Da gibt es Leute, die sehn uns an
wie man sich Narren ansieht. Und kurz darauf bücken sie sich,
um denen, die sie prügeln, den Fuß zu lecken.

VII
Am siebten Tag war Sonntag, und wir ruhten aus
wie Gott befiehlt.

All das geschah, wenn ich nicht irre, im Juni
werden’s neunzehnhundertvierundzwanzig
sehr lange Jahre.
        Nichts: eine Kleinigkeit!

MARTÍ I POL, Miquel. “Die Schöpfung” (“La creació”). A: Katalanische Lyrik im zwanzigsten Jahrhundert: eine Anthologie. Edició amb Antoni Pous. Mainz: Hase & Koehler, 1970, 140-145.

Traduït per Johannes Hösle

Johannes Hösle